Content Marketing: Das FISHE‑Modell

Nicolai Goschin · September 2020 in Digitale Welt

Der heiße Scheiß von damals

Dieser Artikel gehört zu unserem Frühwerk, das bedeutet: Damals waren die beschriebenen Sachverhalte aktuell, jetzt haben sie wahrscheinlich schon etwas Staub angesetzt.

Um zielführendes Content Marketing zu betreiben, braucht es eine durchdachte Struktur. Eine Struktur, in die sich Inhalte gezielt einordnen lassen.

Eine Herausforderung besteht dabei darin, dass nicht jedes Content-Piece – wir nennen es Asset – den gleichen Zweck erfüllt und das gleiche Ziel hat. Damit ebendiese Ziele in einem ausgewogenen Mix vorkommen, gibt es verschiedene Modelle. Eines davon ist das FISH-Modell.

Wir haben das FISH-Modell in einem vergangenen Fachartikel (hier klicken) bereits ausführlich vorgestellt. Deshalb beschränken wir uns hier auf die Kurzfassung:

Das FISH-Modell geht davon aus, dass die einzelnen Inhalte unterschiedliche Aufgaben erfüllen müssen, um einen Mehrwert für Nutzer:innen und letztlich für Unternehmen zu schaffen. Kurz gesagt: Der Mix macht’s.

Das FISH-Modell unterscheidet dabei zwischen vier verschiedenen Content-Kategorien:

(1) Follow-Content, der zum Teilen bzw. Folgen anregt,
(2) Inbound Content, der hochwertig ist und Leads generiert,
(3) Sales / Search Content, der Fragen beantwortet und so für Suchen relevant ist und
(4) Highlight Content, der Aufmerksamkeit und Viralität erzeugt.

So weit, so gut.

Mit dem FISH-Modell haben wir in den vergangenen Jahren gerne gearbeitet. Nun stellen wir fest, dass es nicht mehr ausreichend ist, um die Thematik ganzheitlich zu erfassen. Klar geworden ist uns das in einem strategischen Sparring mit einem unserer Lieblingskunden.

Der neue Typ: Engagement Content

Besonders mit Blick auf Social Media fehlt in diesem Modell eine bestimmte Art des Contents. Genauer gesagt fehlen Assets, die Nutzer:innen zu Engagement animieren. Engagement bedeutet in diesem Fall die tatsächliche Interaktion der Nutzer:innen mit den Inhalten.

Dies kann zum Beispiel eine interaktive Grafik, eine Umfrage oder eine Klickstrecke sein. Dieser Content-Typ gewinnt insbesondere in den letzten Jahren immer weiter an strategischer Relevanz.

Warum ist Engagement so wichtig?

Das globale Phänomen der verkürzten Aufmerksamkeitsspanne von Nutzer:innen betrifft insbesondere Social Media. Lange Inhalte werden seltener konsumiert. Was kurz ist, gewinnt. Kurz is key, um es mal ganz Denglisch auszudrücken. Ausgehend davon, dass Content snackable, also leicht verdaulich sein muss, werden Inhalte immer kürzer. Und leichter zu konsumieren. Analogie aus dem Leben: Sushi essen und die Unmengen an Reis und Algenblättern, die man dabei verzehrt. Erst, wenn es zu spät ist, merkt man, wie viel man da gerade eigentlich gegessen hat. Tja, snackable funktioniert.

Wenn wir aber nun mit kurzen Inhalten arbeiten, wird es schwieriger, eine echte Bindung zwischen Nutzer:in und Marke aufzubauen. Und hier kommt das Engagement ins Spiel. Gelingt es uns, Nutzer:innen Inhalte zu bieten, mit denen sie leicht interagieren können, verlängert sich die Aufmerksamkeitsspanne wieder. Eine längere Aufmerksamkeitsspanne führt wiederum zwangsläufig zu einer längeren Beschäftigung mit der Marke. Und somit zu einem höheren Branding-Effekt.

Die Ergänzung des Modells

Da wir Engagement Content nun als relevanten Typ für eine gelungene Content-Strategie erkannt haben, können und müssen wir das FISH-Modell erweitern. Und nun haben wir tatsächlich Glück! Aufmerksame Leser:innen werden es sich schon denken: Wir ergänzen das FISH-Modell um eine „E“ für Engagement Content. Und da „FEISH" nicht besonders schön klingt, nennen wir es FISHE, gesprochen „fish-e". Das klingt ziemlich nett und niedlich. Und wir wissen doch alle, dass das, was gut klingt, auch gut sein muss.

Wenn wir nun die Struktur des klassischen Modells betrachten, dann muss jeder Content-Typ in den Dimensionen Business-Ziel, Leser:innen-Nutzen, Conversion / Return on Investment (ROI) und Verlinkung mit dem Business definiert sein. Außerdem werden in den Dimensionen die Aspekte Verhältnis zu SEO, Inszenierung, Content-Radar sowie Content-Arten und Formate definiert. Dies tun wir nun auch für unser „E“ wie Engagement.

Business-Ziele Leser:innen-Nutzen Conversion / ROI Verlinkung mit Business
F
Follow-Content
Soll nachhaltig Reichweite und Bindung aufbauen und folglich auch Sympathie, Vertrauen, Nähe und Interesse. Nutzer:in sucht nichts Spezifisches, lässt sich jedoch gerne inspirieren und unterhalten. Follow-Content erfüllt dieses Bedürfnis stets. Keine direkte Conversion, bietet aber Zugang zu einer regelmäßigen Leser:innen- und Follower:innenschaft, die gezielt über andere Maßnahmen angesprochen werden soll. Vorsichtiges Einbinden von werblichen Aspekten (Trennungsgebot beachten) und „Branded Entertaiment“. Zu viel davon schafft jedoch Misstrauen.
I
Inbound Content
Soll unmittelbare, vertriebsrelevante Nachfrage auslösen (Lead), die dann verfolgt werden kann (Lead Nurturing). Konzepte zur Lösung eines komplexeren Problems, die auch Teil des Leistungsportfolios des Unternehmens sind. So wird Upsell realisierbar. Conversion ist die Überführung der Adressen in ein Lead-Nurturing-System. Der Inhalt muss eine hohe Qualität der Leads schaffen. Die Verlinkung mit dem Business geschieht durch ein Thema, das sehr businessnah sein muss. Später durch die direkte Ansprache im Vertrieb.
S
Search and Sales Content
Positionierung als Kompetenzträger:in und Service-Anbieter:in in einem strategischen Bereich und direkter Abverkauf. Nutzer:in findet eine Antwort auf eine spezifische Frage, die er oder sie sich aktuell stellt und nach der er oder sie aktiv sucht. Nutzer:in sieht, dass ihm oder ihr geholfen wird und hat somit Vertrauen. Er oder sie ist jetzt auf der Seite des Unternehmens und kann so weitergeführt werden. Hier können direkt kommerzielle Angebote gemacht werden. Nutzer:innen haben jetzt ihren Nutzen und sind zufrieden — und somit eher kaufbereit.
H
Highlight Content
Soll hohe Aufmerksamkeit herstellen und sich verbreiten. Notwendig für Kompetenzführerschaft und Image. Nutzer:in erhält sofort sehr hohen funktionalen und / oder emotionalen Nutzen, den er oder sie bestenfalls direkt mit anderen teilen will. Unmittelbare Steigerung von Bekanntheit, hohe Aufmerksamkeit, Klicks, Traffic und mehr — das alles muss dann kapitalisiert werden. Direkter Verkauf nicht empfohlen. HC weckt ein Interesse, das dann über vernetzten Follow- und Inbound Content in nachhaltigen Kontakt übertragen werden muss.
         
E
Engagement
(neu ergänzt)
Schafft Auseinandersetzung mit einem Thema, für das die Marke steht. Dabei sorgt das höhere Engagement für einen stärkeren Bezug zur Marke und eine gesteigerte Brand Awareness. Nutzer:innen können sich durch das aktive Handeln „Zeit vertreiben". Die Inhalte haben einen explorativen Charakter und wecken damit Interesse. Das Engagement ist mit einem positiven Erlebnis verbunden. Kein direkter ROI, keine direkte Conversion. Engagement Content schafft aber durch die positive Auseinandersetzung mit der Marke stärkere Conversion-Effekte in anderen Medien. Er ist damit ein gutes Medium für Retargeting und Lookalike Audiences. Eigene Business-Themen im Sinne von Produkten und Dienstleistungen treten in den Hintergrund, dafür werden die Themen, für die die Marke steht, relevant und offen bei Nutzer:innen platziert und kommuniziert.

Quelle: Zeile 2-5 (F, I, S, H) in Anlehnung an Scompler.com.

Verhältnis zu SEO Inszenierung Profil im Content Radar Content Arten und Formate
F
Follow-Content
SEO spielt keine große Rolle für Follow Content, da Nutzer:innen per Definition nicht oder selten danach suchen. Trotzdem sollte man SEO nicht vernachlässigen. Muss schnell einen deutlichen funktionalen oder emotionalen Nutzen zu erkennen geben, beispielsweise Formate wie „transmediales Storytelling".
  • Micro-Content
  • Social Media Postings
  • Laufende Blogpostings
  • News / Curated Content
I
Inbound Content
Verhält sich ähnlich wie Search Content. Inbound Content löst ein Problem, daher suchen Nutzer:innen danach. Deswegen muss er auf Google gut performen. Im Allgemeinen anders als Follow-Content – Inbound Content ist tiefgründig und hat einen überwiegend funktionalen Nutzen.
  • White Paper
  • Webinare
  • Studienergebnisse
  • Case Studies
S
Search and Sales Content
Sollte auf SEO optimiert werden. Hier spielt das „Wording“ keine so große Rolle. Inhalte sollen gefunden werden und alle Infos enthalten. Search & Sales Content muss direkt auf den Punkt kommen und die Problemlösung enthalten. Keine Einleitungen, sondern gute Usability.
  • Informationen
  • Listen
  • Übersichten
  • News
  • Checklisten
H
Highlight Content
SEO ist für Highlight Content quasi irrelevant. Echter Highlight Content performt auch ganz ohne explizites SEO, da Google ihn gut erkennt. Muss in erster Linie herausragenden emotionalen Nutzen beinhalten — entweder bzgl. Unterhaltung oder Sinngebung. Storytelling ist dafür sehr gut geeignet.
  • Longformats
  • Videos
  • Kampagnen
  • Scrollytelling
  • Multimediale Inhalte
         
E
Engagement
(neu ergänzt)
SEO spielt hier keine wirkliche Rolle. Engagement Content hat meist wenig Inhalte, die relevant von Suchmaschinen indexiert werden, daher ist dieser Punkt zu vernachlässigen. Interaktiv, interessant, anregend. Engagement Content muss so gestaltet sein, dass er Nutzer:innen zur Interaktion animiert. Weniger ist mehr. Dabei können weiterführende Fragen oder Aktionen auf späterer Schritte verlegt werden, sodass z.B. bei einer Umfrage nicht drei Fragen auf einen Blick, sondern eine Frage nach der anderen angezeigt wird.
  • Einfache Umfragen mit 2-3 Fragen
  • Frage-Sticker (Instagram Story)
  • Meinungsbilder über Schieberegler
  • Interaktive Grafiken, in denen Nutzer:innen Eingabewerte editieren können
  • Instant Experiences (Facebook)
  • Klick- und Fragestrecken

Quelle: Zeile 2-5 (F, I, S, H) in Anlehnung an Scompler.com.

Einordung des „E"s im Content Radar:

Insbesondere die Platzierung im Content Radar zeigt uns, dass hier ein Bereich erschlossen wird, den die anderen Content-Typen nicht oder nur bedingt bedienen. Es handelt sich um hoch funktionale und vordergründige Inhalte. Interessant ist, dass Engagement Content an sich zwar vordergründig und funktional ist, der Pfeil aber durchaus auch in die andere Richtung zeigen kann. Je komplexer der Content, desto tiefgründiger ist er in der Regel. Ein Beispiel wäre etwa eine interaktive Grafik, die über die Verbreitung einer Krankheit oder über Umweltfaktoren informiert. In dieser Hinsicht kann Engagement Content auch emotional sein. Er ist also eine ideale Ergänzung zu den bereits existierenden Formaten.

Unsere Empfehlung an all jene, die sich strategisch und fokussiert mit Content Marketing auseinandersetzen: das FISH-Modell um ein „E“ erweitern und Nutzer:innen zu mehr Engagement animieren. Das schafft eine intensivere Beschäftigung mit der Marke und so eine höhere Brand Awareness.

Apropos Snackable Content (siehe oben): Eine Frage, die wir uns schon länger stellen: Wenn alle Nutzer:innen immer nur snacken – von was werden sie dann satt? Aber das ist eine Frage für ein andermal. Darauf erstmal eine Runde Sushi.

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