Florian Wacker · November 2020 in Digitale Welt
Nein, Web Accessibility ist kein neues Trendthema und auch nicht die berühmte Sau, die mal wieder durchs digitale Dorf getrieben wird. Der barrierefreie Zugang zu Websites ist fundamentaler Bestandteil des Internets und spielt auch in unserer Arbeit eine große Rolle. In einem Workshop haben wir Wissen gebündelt, Ideen besprochen und Maßnahmen entwickelt, um Web Accessibility noch umfassender in unseren Workflow zu integrieren.
Jede:r von uns kennt wahrscheinlich eine dieser Situationen: die Brille verlegt, den Arm in Gips, das Baby auf dem Arm, die Sonne knallt aufs Display, die Netzverbindung ist quälend langsam – Situationen, in denen unsere gewohnte Nutzung von Websites mit Maus, großem Bildschirm und stabiler Verbindung plötzlich beeinträchtigt wird. Oder wir fragen uns, ob ein Formular nach dem Senden wirklich verschickt wurde, ärgern uns über kryptische Fehlermeldungen und verzweifeln am Login. Auch hier stehen wir vor Barrieren, die die Nutzung von Websites unnötig erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.
Webnutzung ohne Einschränkungen
Laut der von der W3C initiierten Web Accessibility Initiative (kurz: WAI) bedeutet Web Accessibility, dass Websites und Webtools so designt und programmiert werden, dass sie für Menschen mit Behinderungen nutzbar sind. In diesem Zusammenhang meint Behinderung das gesamte Spektrum von physischen und psychischen Beeinträchtigungen: dauerhaft (Blindheit, Taubheit, Amputation, Lähmungen usw.), temporär (gebrochener Arm, die Brille auf der Stirn, aber nicht auf der Nase) und situativ (greller Lichteinfall, laute Umgebung). Ziel der Initiative ist es, allen Menschen, egal, welche Soft- und Hardware sie nutzen, welche Fähigkeiten sie haben, welche Sprache sie sprechen und in welcher Umgebung sie leben, gleichermaßen den Zugang und die Teilnahme am Web zu ermöglichen. Tim Berners-Lee, der Vater des Internets, schrieb: "The power of the Web is in its universality. Access by everyone regardless of disability is an essential aspect."
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben etwa 15% der Weltbevölkerung mit einer Behinderung, in Deutschland sind es laut Statistischem Bundesamt 7,9 Millionen Menschen, die eine anerkannte Schwerbehinderung haben. Macht man sich dann noch klar, dass mit zunehmendem Alter viele Menschen Beeinträchtigungen wie Sehschwäche, Zittern usw. entwickeln, wird schnell deutlich, dass Web Accessibility kein Nischenthema ist. Websites und -services mit mangelhafter Accessibility erschweren damit einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Web-Nutzung. Das kann gesellschaftlich, politisch und ökonomisch nicht gewollt sein.
Web Accessibility als State of the Art
Als Digitalagentur gestalten wir Gegenwart und Zukunft des Webs aktiv mit. Deswegen stehen wir, die wir uns täglich professionell mit der Gestaltung und Entwicklung von Websites beschäftigen, in einer besonderen Verantwortung. Wir glauben, dass Web Accessibility zum modernen Web-Development gehört und im gesamten Prozess von Konzept über Layout/Design bis zur technischen Umsetzung eine wichtige Rolle spielt.
Natürlich ist auch beim Thema Web Accessibility die Spannbreite dessen, was gemacht werden kann und welche Kriterien angelegt werden, groß. Eine umfangreiche Website absolut accessible zu machen, kann aus verschiedenen Gründen sehr aufwendig werden. Schnell verheddert man sich in den zahlreichen Richtlinien und fragt sich: Wo anfangen?
Logisch, klar, barrierearm
Moderne Webtechniken (HTML, CSS, Javascript) bieten schon heute alle Möglichkeiten, den Zugang zu Websites zumindest zu erleichtern, also "barrierearm" zu machen. Es wird auf eine logische Seitenstruktur, klare Navigationskonzepte und auf den Einsatz von HTML5-Semantik geachtet. So kann zum Beispiel die Verwendung der CSS-Pseudoklasse :focus, die häufig übersehen oder per Reset überschrieben wird, eine große Hilfe bei der Tastaturnutzung einer Website sein; eine sogenannte "Low Hanging Fruit" – eine kleine Verbesserung mit großer Wirkung.
Wie so oft im Leben gilt auch hier das etwas abgegriffene Sprichwort: Der Weg ist das Ziel. Sich der Tragweite und Bedeutung von Web Accessibility bewusst werden, das Thema ins Team tragen, Wissen erweitern und teilen, Ideen entwickeln, den Workflow überarbeiten – damit schärfen wir unser Profil auf diesem Gebiet weiter. Unser Ziel ist es, Websites zu entwickeln, die für jede:n zugänglich sind. Unabhängig von persönlichen Umständen, dem Lebensumfeld und technischen Endgeräten, denn wir halten barrierearme Websites heute für selbstverständlich.
Web Accessibility sollte kein "Nice to Have", sondern fester Bestandteil des gesamten Entwicklungsprozesses sein. Als vor Jahren Responsive Webdesign an Relevanz gewann, war das etwas, das faszinierend, aber aufwendig umzusetzen war. Es war ein besonderes Feature für Eingeweihte, Raketentechnik. Heute gehört es wie selbstverständlich zu moderner Webentwicklung dazu. Das Gleiche wünschen wir uns auch für Web Accessibility.
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