Upload-Filter bedrohen Meinungsfreiheit im Internet — oder machen es zu einer Wüste

Vorentscheid zum Artikel 13 im EU-Parlament

Nicolai Goschin · August 2018 in Digitale Welt

Der heiße Scheiß von damals

Dieser Artikel gehört zu unserem Frühwerk, das bedeutet: Damals waren die beschriebenen Sachverhalte aktuell, jetzt haben sie wahrscheinlich schon etwas Staub angesetzt.

Was macht man, wenn man ein ungeliebtes Thema in der Politik durchbringen will? Ganz genau, man drückt es klammheimlich durch, wenn keiner hinschaut. Zum Beispiel dann, wenn sich alle Fragen ob wir IKEA boykottieren müssen, wenn Deutschland gegen Schweden verliert. Während wir also noch Würstchen auf dem Grill drehen und Nachbarn erklären, dass „er das Ding hätte ja rein machen müssen“, schiebt sich das EU-Parlament in Schussposition. Geschossen wir aber nicht auf das Tor, sondern auf die Meinungsfreiheit im Internet.

Stop mal, was ist passiert?

Am Mittwoch den 20. Juni – das war der Tag an dem Portugal 1:0 gegen Marokko spielte – hat der Rechtsausschuss des EU-Parlament den Weg zum Entscheid über Artikel 13 frei gemacht. Der Vorentscheid dreht sich um die Einführung der harmlos anmutenden „Upload-Filter“. Klingt nach einer Sache, die das Internet zu einem schöneren Ort macht – ist es aber nicht. Bei Upload-Filtern handelt es sich nämlich um technische Systeme die beim Upload von Inhalten automatisch prüfen ob diese gegen Urheberrechte verstoßen. Und diese – sofern eine Rechtsverletzung festgestellt wird – automatisch blockieren. Das ist eigentlich erstmal eine löbliche Idee. Urheberrechte im Internet zu schützen ist schließlich wichtig und richtig. Doch die Folgen in der Praxis können einen enormen Einfluss auf die Meinungsfreiheit und die Kultur im Internet haben. Folgen die heute nicht vollständig abzusehen sind.

Die Problematik entsteht bei der Frage, wer und wann Anspruch auf ein Werk im Sinne des Urheberrechts besitzt. Und wie dieses technisch überprüft werden soll. Würde beispielsweise ein Anspruch unberechtigter Weise erhoben, würde ein Werk (zum Beispiel ein Video) vorab blockiert. Gleiches gilt bei großer Ähnlichkeit zu einem Werk, das ggf. nicht unterschieden werden kann. Hiervon sind insbesondere MEMES (typischerweise die Kombination eines prominenten Bildes in Kombination mit einem neuartigen Text) sowie Satire betroffen. Denn hier ist die berechtigte Sorge, dass Upload-Filter nicht zwischen diesen und dem eigentlichen Werk unterscheiden können. Ähnliche Probleme sind bei visuellen Zitaten zu sehen.

Tod den Katzenvideos!?

Ist es denn wirklich so schlimm, wenn die Welt auf ein paar Katzenvideos verzichten muss? Davon gibt es doch mehr als genug. Hand auf’s Herz, ist es natürlich nicht. Schlimm wird es dann, wenn relevante Inhalte die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen vorab pauschal blockiert werden. Sei es nun durch fehlerhafte technisch Bewertung oder zu unrecht beanspruchte Inhalte. Wenn die großen Plattformen wie Youtube und Facebook in die Pflicht genommen werden, künftig alle Inhalte vorab auf Urheberrechte zu prüfen – und das bereits beim Upload – könnten Memes komplett von der Bildfläche verschwinden. Satire und Zitate gegebenenfalls ebenso.

Um es noch etwas drastischer zu machen. Man stelle sich vor, hinter der Druckpresse der Zeitung „Die Zeit“ steht ein Typ mit einem EU-Shirt und einem schwarzen Edding. Der schwärzt nun jeden einzelnen Satz, den er irgendwo anders schon mal gelesen hat. Ggf. auch dann wenn es ein Zitat oder ein Auszug ist. Und er streicht es eben schon bevor es ein Mensch gesehen hat und beurteilen konnte, ob hier wirklich eine Rechtsverletzung vorliegt. – Da geht sie dann auch schon vor die Hunde, die Meinungsfreiheit im Internet und die aus ihr resultierende Netzkultur.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.

— George Orwell

Der aufmerksame Leser denkt sich jetzt vielleicht: „Mir doch egal, dann lade ich meinen Content eben nicht bei einer großen Plattform hoch!“. Falsch gedacht. Durch die aktuell herrschende Phase der Plattformökonomie sind die Big Player alternativlos. Wer sich auch nur ein ganz kleines bisschen mit der Reichweite im Internet beschäftigt, weiß, dass relevante Reichweite aktuell eigentlich nur über Plattformen wie Youtube, Facebook & Co erzielt werden. Wenn diese also nun den Zugang einschränken, haben Inhalte die dort herausgefiltert werden keine Chance mehr ein Publikum zu finden.

Der Versuch der EU, die Macht der Internet-Giganten zu beschränken, geht hier leider in die falsche Richtung. Ähnlich wie wir es bereits bei der Einführung der DSGVO erlebt haben. Gut gemeint ist eben immer noch das Gegenteil von gut gemacht.

Selbst, wenn wir uns von dem Gedanken befreien könnten, dass Upload-Filter die Meinungsfreiheit ernsthaft beeinflussen bleibt eine nicht verhandelbare Folge, die wir uns bewusst machen müssen:

Der EU-Raum wird zu einer Internet-Wüste. Ein toter Raum ohne Netzkultur. Schließlich steht es jedem Plattformbetreiber frei auf Upload-Filter zu verzichten und stattdessen User aus der EU auszuschließen. Statt gefilterter Katzenvideos gibt es dann einfach gar keine Katzenvideos mehr.

Dann also doch wieder zurück zum guten alten Buch. Ging ja früher auch!
¯_(ツ)_/¯

Wer kein Interesse an der Taschenbuchausgabe von „Bubsimaus Bilderbuch der Katzen“ oder ähnlichen Werken hat, kann hier etwas für die Meinungsfreiheit im Internet tun: https://saveyourinternet.eu/

Schön, dass Sie hier sind!

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